Meine Lebensgeschichte

von

Nicole Führing

Ich habe noch nie eine solche „Stille“ gehört. Mehr als empfehlenswert …

Aber, die Heimat rief. Und nun wusste ich, wo ich hingehöre.

Wer bin ich?

Ich bin Nicole Führing, Jahrgang 1977, seit 2001 selbstständig (erst nebenberuflich, dann hauptberuflich). Ich lebe mit meinem Partner Mario und meinem Beagle Curby im beschaulichen Kloster Oesede in Georgsmarienhütte (bei Osnabrück). Hier mieten wir ein Haus in einer verkehrsberuhigten 30er Zone in einem ruhigen Umfeld.

In der unteren Etage befinden sich unsere Privaträume sowie das (halbfertige) Büro meines Mannes Mario. Er ist ebenfalls selbstständig (Freiberufler) und seines Zeichens Frontend Designer, Fotograf und Filmemacher. (Videofilme, Unternehmenspräsentationen, Kurzfilme, Youtube etc.).

In der oberen Etage komme ich meiner Berufung nach. Auf ca. 89 m² trainiere und coache ich meine Kunden und Klienten. Mit meinem Konzept: Nicole Führing Professionell zuhören, spreche ich Privat- und Geschäftskunden an. Ich helfe Menschen Ruhe zu finden. Egal, ob es um privaten oder beruflichen Stress geht.

Wofür schlägt mein Herz?

Meine Berufung entdecke ich quasi jeden Tag neu, da mir meine Klienten zeigen, dass ich mich genau für die richtige Richtung entschieden habe. Einfach mal zuhören. Das mag für den privaten Bereich gut sein, denken Sie jetzt, aber wie soll das im geschäftlichen Bereich funktionieren???

Nun, ich habe über die letzten 18 Jahre im Vertriebsaußendienst mein ganz eigenes Konzept entwickelt. Und was soll ich sagen? Es hat mit Zuhören zu tun. Nicht die altbekannte „Aua-Methode“ (Anhauen – umhauen – abhauen) sondern viel entspannter, ruhiger, persönlicher. Vermutlich auch anfangs etwas langwieriger, aber auf Dauer effizienter.

Genau so, wie ich jeden privaten Klienten frage, was ihm/ihr wichtig ist, wo sie ihre Stärken sehen, was sie erreichen wollen, frage ich das z. B. im Training on the job mit den Außendienstlern auch die potentiellen Kunden und möglichen Interessenten. WIR interessieren uns für das Gegenüber. Das führt zu mehr Vertrauen und bringt eine solide Basis für eine gute und langjährige Geschäftsbeziehung. Nicht immer direkt verkaufen, kein Hardselling oder wie auch immer das genannt wird.

Mir liegt der Kontakt der Menschen miteinander sehr am Herzen.

„Wir, also unsere Gesellschaft, hat meines Erachtens verlernt sich richtig zuzuhören, aufmerksam zu sein.“

Das möchte ich den Menschen wieder Nahe bringen – beruflich wie auch privat. Es geht darum, Dinge einzeln zu tun, zu Entschleunigung, wieder mehr im offline zu LEBEN und einfach wahrzunehmen.

Was ist für mich Leben? Was heißt es für mich meinem Herzen zu folgen?

Ich denke, ich bin auf einem guten Weg raus aus der „Gefangenschaft“ der „9 to

5“ Gesellschaft. Ganz habe ich es sicher noch nicht geschafft, aber durch meine

Selbstständigkeit bin ich sicherlich ein wenig freier als Andere. Im Leben geht es für mich um Kontakte, Beziehungen, Gespräche und Begegnungen. Leben, Lieben und Lachen. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, so dass auch Weinen, Wut und Traurigkeit einen großen Platz einnehmen. Der ganze Emotionsblumenstrauß eben. Ich kann von jetzt auf gleich umswitchen und bin froh, dass ich mir erlaube diese Emotionen wieder zu zeigen. Das war nicht immer so, da alte Glaubenssätze oder gesellschaftliche Konventionen auferlegt und angegeignet mich in meinem Sein und in meiner Art beschnitten. Ich „fühlte mich nicht wohl in meiner Haut“ und passte in kein Bild. In Unternehmen hatte ich oft die Herausforderung den von mir geliebten „Einklang“ und die Harmonie in einer Gruppe zu erwirken. Das geht nicht immer und das durfte ich ebenfalls lernen.

Deshalb bin ich, nach langem Grübeln, vielen Gesprächen und einem Hin & Her, meinem Herzen und den Worten meines Vaters gefolgt: Papa war immer der Meinung, dass er sein Leben lange genug im Hamsterrad der Gesellschaft verbracht habe. Ich solle das anders tun. Wenn es mir nicht gut ginge, solle ich mich fragen: Woran liegt das? Was kann ich verändern? Und wenn alles nicht hilft, dann habe ich es versucht, aber kann mir ruhig eine neue Aufgabe suchen. Ich solle Spaß am Leben haben und finden, war seine Meinung. Neudeutsch heißt das wohl: Take it, change it or leave it.

War das schon immer so? Wie bin ich zu meinem aktuellen Leben gekommen?

Natürlich dachte ich in jungen Jahren, dass ich immer tue was ich will. Es fing bereits auf dem Gymnasium an. Ich hatte keine wirklichen Ambitionen zum Abitur und eröffnete meinen Eltern, dass ich doch etwas RICHTIGES machen wollte; eine Ausbildung. Nach ersten Diskussionen stimmten meine Eltern zu, unter der Bedingung, dass ich mir vor Abbruch der Schule klar werde, was, wie, wann und wo und auf jeden Fall eine feste Zusage, besser noch ein Vertrag vorliegen solle, bevor sie meinem Wunsch entsprechen.

Zu diesem Zeitpunkt gingen Sie allerdings davon aus, dass ich niemals einen Ausbildungsplatz bekäme, da in diesem Jahr das Angebot recht dürftig erschien. Ich recherchierte und schaute mir verschiedene Angebote an. Papa gab mir einige Tipps für die Bewerbung (gelernter Bürokaufmann) und meinte: Eine kaufmännische Grundlage wäre generell nicht schlecht. Das passte zu meinem Bild und ich bewarb mich bei insgesamt 8 Unternehmen und wurde zu 5 Vorstellungsgesprächen eingeladen. Ich erhielt 5 Zusagen. 😉 Meine Eltern waren etwas geknickt, stimmten aber zu und ich wählte mir die am besten bezahlte aber vermutlich schwierigste Stelle aus. Kauffrau im Einzelhandel in einem kleinen Lebensmittelgeschäft der Klasse 1 und Extra im Zentrum von Osnabrück.

Lehrjahre sind bekanntlich keine Herrenjahre und es waren neben den harten Zeiten auch sicherlich ein paar wirklich schöne Momente dabei, aber ich merkte schnell, dass ich „mehr für den Menschen an sich“ bewegen wollte.

Also schaute ich mich nach den 3 Jahren Ausbildung nach etwas Anderem um. Da eine Übernahme in dem Bereich für die Auszubildenden zu dieser Zeit nicht möglich war, mussten wir uns etwas anderes suchen.

Es gab beim Arbeitsamt verschiedene Angebote für Fort- & Weiterbildungen. Ich wählte den Kurs „Anwendungsbezogene EDV für Kaufleute“ der eigentlich für Wiedereinsteger gedacht war, allerdings gab es auch kaum andere Möglichkeiten. Durch diverse Kontakte der älteren Mitschüler des Kurses, wurde mir eine andere Möglichkeit offeriert, eine weitere Ausbildung in einem absolut neuen Ausbildungsfeld: Kauffrau für Bürokommunikation. Das war der erste Durchgang und ich konnte in der Krankenkasse eines großen ortsansässigen Stahlbetriebes direkt mit der verkürzten Ausbildung anfangen.

Grundsätzlich konnte ich auch hier viel lernen und fühlte mich sehr wohl. Mir wurden schnell größere Aufgaben zugeteilt, da ich ja aufgrund der ersten Ausbildung schon viele Kenntnisse hatte. So durfte ich die gesamte Postabwicklung und professionelle Einrichtung der jeweiligen Zentralen dieser Kasse übernehmen, nachdem ich ein effektiveres System für den Posteingang in unserer Niederlassung etabliert hatte.

Nach bestandener Abschlussprüfung durfte ich auch weiter im Betrieb arbeiten und war inzwischen Assistentin des Geschäftsführers, hatte nebenbei noch Weiterbildungen zur Sekretärin besucht, Steno-Unterricht erhalten und den Vorstand im Bereich neues Marketing und Kommunikation unterstützt. Außerdem übernahm ich schnell einige vertriebliche Aufgaben, da ich mit Ein- & Verkäufern der jeweiligen Unternehmen einen guten Draht aufgebaut hatte.

Bis … ja, bis eine neuer Personalchef kam. Dieser konnte meinen schnellen Aufstieg – und das ohne Studium oder sonstige Hintergründe, Fachwissen oder ähnliches – nicht nachvollziehen und meinte ich verschwende die Zeit der Kollegen und Mitarbeiter mit meiner Art & Weise. Außerdem sei ich faul und suche ja immer Möglichkeiten mich zu schleichen. Dies bezog sich wohl auf den Fuhrpark und meine Zuständigkeit, da ich für meinen Chef immer das Auto reinigen ließ und , zugegeben, ich bin gerne damit herum gefahren. Nun ja, in Absprache mit dem Vorstand durfte ich dann so lange im Unternehmen bleiben, bis ich eine entsprechende Stelle finde würde.

Diese beschaffte mir dann mein Chef in einer Osnabrücker Werbeagentur. Ich war eine von zig Kandidatinnen, die nicht aus dem Bereich Werbung kamen, aber ich hatte einen Vorteil. Ich war bereits für die 3 jährige Abendschule Marketing angemeldet. Das Engagement zahlte sich aus und ich durfte bleiben. Eine schöne, stressige, lustige, lehrreiche, aber auch wirklich harte Zeit. Meine Bewerbungen liefen teilweise noch und auf eine davon erhielt ich ca. ein halbes Jahr später die Anfrage: Wir wollen Sie jetzt, Frau Führing. Ich sprach mit meinem Chef, die Probezeit lief ja in Kürze aus, er erhöhte mein Gehalt auf das angebotene und alles war okay. Das andere Unternehmen fragte mich, ob Sie meine Daten trotzdem behalten dürfen. Mir war das recht. Keine 4 Wochen später meldete sich der Personaler des Unternehmens erneut und bot wiederum ein höheres Gehalt. Da konnte mein aktueller Chef nicht mitziehen, wollte mir aber auch keine Chance verwehren und lies mich ziehen.

Ich fing also im Folgemonat in diesem kleinen Osnabrücker Telefonunternehmen im Innendienst an. Eingabe von Verträgen, machte Spaß. Ich verstand mich mit meinem kleinen Kollegenteam und die ersten paar Monate vergingen wie im Flug. Unser Unternehmen wuchs und ab und an verirrte sich auch mal ein interessierter Kunde. Die anderen Kollegen hatten mit Verkauf noch nie etwas am Hut und schickten mich immer vor. Ich mochte die Gespräche und erklärte den Kunden sehr gerne die Vor- und Nachteile. Der Innendienst wuchs, der Platz wurde rarer und der Ton rauer. Da wir freie Zeiteinteilung hatten, fing ich zukünftig so früh wie möglich an, da ich dann bereits am Nachmittag frei hatte. Das hatte außerdem den Vorteil, dass ich Frühs die Verträge ganz ohne Telefon oder andere Störungen eingeben konnte. Leider hatte das den Nachteil, dass die Kollegen sauer wurden. Ich würde zu schnell eingeben, ich suche mir die besten Zeiten aus … etc. pp

Es wurde zunehmend unangenehmer. Wir erhielten nun bald jeder Schulungen zum Verkauf und mir wurde klar, dass ich gerne wieder unter Menschen wollte und lieber verkaufe, als die Verträge einzugeben. Nach Rücksprache mit dem Vertriebsleiter starteten wir eine Testphase. Und was soll ich sagen – lief.

So landete ich dann endgültig im Vertrieb. Ich besuchte Kunden, schrieb Verträge, erhielt Schulungen und lernte jeden Tag etwas Neues. Ich war recht erfolgreich auf Messen und erhielt dann auch die Leitung für eine Außenstelle im Südkreis. Hier baute ich ein völlig Neues Kundengebiet aus und auf, lernte Mitarbeiter an und startete Marketingaktionen etc.

Leider war ich durch meine offene und zielstrebige Art einigen Außendienstkollegen ein Dorn im Auge. Ich bekam Sprüche zu hören wie: Ein gutes Pferd springt nicht höher als es muss. Du kannst uns doch nicht regelmäßig die Zahlen versauen. Halt mal den Ball flach, wie sollen wir sonst im nächsten Jahr die Ziele erreichen? Etc… Es machte mir auch sehr zu schaffen, dass ich die einzige weibliche Person im Außendienst war. Ich hatte nirgends so richtig Anschluss. Das war allerdings nicht das Schlimmste. Ich war zu diesem Zeitpunkt mit einem Kollegen in der gleichen Position zusammen. Davon sollte aber niemand etwas wissen. Nicht, weil ich das etwa so wollte, nein, er war zu Beginn unserer Beziehung der Meinung, es wäre doch blöd, falls es nicht klappt, wenn die anderen sofort bescheid wüsste. Wir machen es öffentlich, sobald wir uns sicher sind. Später, auf die Frage, wann wir es öffentlich machen, war es entweder nicht der richtige Zeitpunkt oder noch nicht fest genug, oder, oder… Dann war es sein gutes Verhältnis zu unserem Vorgesetzten und später war es einfach zu spät. Dass es sich dabei aber bereits von Anfang an um reine Manipulation handelte wurde mir leider erst viel viel später bewusst. Und zwar nach 2 ½ Jahren. Ich wurde von diesem Kollegen unterdrückt, geformt und manipuliert – ich hatte keine Freunde mehr, weil diese ihm nicht gefielen. Klar, die hatten mich gewarnt. Ich hatte keinen Kontakt zu meinen Eltern mehr, weil die ihn nicht mochten. Papa hatte sofort das Gefühl, dass mit dem Typen etwas nicht stimmt. Und vor meinen Kolleginnen und Kollegen musste ich ständig schweigen oder mir sogar Dinge ausdenken, damit die Beziehung nicht herauskam. Ich war dieser Person beinahe hörig. Außerdem war er Alkoholiker und ich wurde nach und nach Co-Abhängig. Nicht in der Form, dass ich auch Alkohol trank, sondern ich erfand Ausreden für ihn. Ich schaute immer nach Angeboten für seinen Kräuterschnaps, ich schenkte ihm regelmäßig „seine Marke“ weil er dann ja besser zufrieden war. Jeden Tag 1 Liter Flasche Kräuterlikör.

Ewige Gewissensbisse, Schuldgefühle und Einsamkeit plagten mich lange. Ich wurde unterdrückt und mein Selbstwertgefühl war nahe dem Teppich. Bis eine Einladung von meinem Bruder die Wende brachte. Mein Bruder war damals Mitglied in einem Motorradclub und ein Treffen stand an. Er fragte mich, ob ich nicht mitkommen möchte, Essen gehen und später gemütlich zusammen sitzen, klönen, eventuell das eine oder andere Bierchen. Okay, ich hätte an dem Wochenende sonst wieder alleine zu Hause gesessen, da mein „Partner“ es vorzog alleine loszuziehen. Mit so einer Spaßbremse mache das ja keinen Spaß.

Wir fuhren also gemeinsam zu dem Essen und unterhielten uns gut. Ich lernte alle kennen und konnte – seit langem mal wieder – herzhaft lachen. Am Lagerfeuer kamen dann schließlich die Fragen zu meinem Leben, meiner Beziehung etc. – klar, ich war die Neue, das war mal etwas Interessantes und alle hörten zu. Ich begann die Geschichte von meinem „Partner“ zu erzählen und fing an zu weinen. Sie fragten und sprachen ruhig auf mich ein, sie hörten einfach zu und waren für mich da. Das war so ein tolles Gefühl. Mein Bruder meinte dann am Ende: Morgen fahren wir da zusammen hin und holen alle Deine Sachen ab. Ich hatte Angst und sagte das auch, ich wisse nicht, wie ich das schaffen solle. Ich sei doch ganz allein. Da riefen alle Clubmitglieder nacheinander, du hast doch mich, und mich, ich bin dabei … und: wenn der Ärger macht, dann sagst Du Bescheid, wir kommen und helfen Dir.

Am nächsten Tag räumten mein Bruder und ich das Feld bei dieser Person und ich kündigte den Job bei dem Unternehmen. Als Außendienstler wird man in der Regel sofort freigestellt. Und das war auch bei mir so. Ich hatte jetzt 3 Monate Zeit mich nach etwas Neuem umzusehen.

Also, los ging es , verloren hatte ich schon – alleine war ich auch schon. Schaun wir mal. Vielleicht wollen Sie Ihre Top Außendienstlerin ja doch noch behalten – wer weiß.

Selbstständig und nun?

Im Gegensatz zu anderen Kollegen, die mit Kündigung „gedroht“ hatten, wurde ich nicht zurückgeholt und mit mehr Geld oder anderen Zuschüssen gelockt. 😉 Tja, meine Anfangsvermutung war also wiederum bestätigt, man war froh die Dame los zu sein. Ich fühlte mich echt blöd, klein und mies. Kollegen kannten mich nicht mehr, Freunde hatte ich ja alle vor den Kopf gestoßen und der Partner war ja auch nie wirklich einer. In diesem Moment sprach mich ein ehemaliger Kollege der Krankenkasse an.

Er hatte auf dem Portal XING gelesen, dass ich eine neue Herausforderung suche – ob wir uns nicht mal unterhalten wollen. Er wäre da seit zwei Jahren in einem ganz tollen Unternehmen. Was hatte ich zu verlieren??? Nichts, ich hatte ja nichts mehr. Also hin. Um was ging es wohl? 2005 – nein, noch kein MLM. Versicherungen natürlich. Da ich aktuell keine andere Option hatte und eine weitere Ausbildung im Angebot stand, sagte ich zu. Erst nebenberuflich selbstständig (solange der Vertrag bei dem Telefonunternehmen noch lief) dann Vollzeit.

Hier kam mir der Gründungszuschuss zur Hilfe. Allerdings auch niemand anderes. Ich musste mir alles mühsam zusammen suchen, eine fachkundige Stellungnahme, Businessplan, Zahlen errechnen etc. ..das war nicht wirklich einfach. Aber – wie bei allem, das ich anfange – schreibe ich mir eine Art „Bedienungsanleitung“ und das war in diesem Fall Gold wert, wie sich später noch herausstellen sollte.

Und los ging es – Schulungen zu den verschiedensten Themen, Rechtsgrundlagen, Betriebliche Altersvorsorge, Unfall-, Renten- und auch Lebensversicherungen.

Und nach diversen Schulungen ging es in den Verkauf. Grundsätzlich nicht meine Herausforderung, allerdings sollte ich bei der Familie anfangen. Das fand ich nicht so glücklich. Da ich seit 2001 bereits nebenberuflich Kunden bei Ihrer Büroorganisation betreute und auch deren Akten sortierte, fing ich also hier an. Die Klienten hatten bereits Vertrauen und ließen sich gerne beraten. Ich hatte schnell Anfragen zur Mitarbeit und baute ein Team von insgesamt 6 Mitarbeitern innerhalb von 6 Monaten auf. Der Haken? Ja, wie soll ich das sagen. Ich war für einige wieder zu schnell erfolgreich. Es verschwanden Anträge, Unterlagen wurden zerstört und ich musste wiederholt Unterschriften meiner Kunden einsammeln, die dann zusehends genervt waren. Meine Kalkulationen, dass ich ab dem 6. Monat von den Ausschüttungen leben konnte, passten zu dem Zeitpunkt. Allerdings hatte ich hier noch nicht die Art und Weise der Abrechnungstaktiken der Gesellschaft verstanden. Die Provisionen wurden kompliziert verrechnet und verschlüsselt. Meine eingereichten Aufträge wurden auf einmal nicht mehr als direkt Akquise gerechnet, sondern als Untervertrag. Mit der Begründung, dass in dem Unternehmen bereits ein Kontakt vorlag oder ähnliches. Das bedeutete, statt der vollen Provision nur ein pro Mille Anteil. Das würde mich weit zurück werfen. Ich rechnete hin und her, sah den Aufwand und entschied mich das Geschäft zu verlassen. BÄM. Das war – gefühlt – zu diesem Zeitpunkt mein Todesurteil. Ich hatte eine Kündigungsfrist von 1 Jahr. Und zwar bezieht sich das auf die Betreuung der jeweiligen Versicherungsverträge bei den Kunden. Die Daten durfte ich angeblich nicht mehr verwenden, da Eigentum der Firma. Meine ehemalige Mitarbeiterin – inzwischen Affäre meines Anwerbers – wurde losgeschickt um mich als „ das schwarze Schaf“ des Unternehmens darzustellen und mitzuteilen, dass die angebotenen Verträge nicht ausreichend sind. Ich habe bei der Versicherung stets darauf geachtet, dass die Kunden das für Sie passende Produkt erhalten, nicht das, was ich anbieten sollte. Nun konnte meine Ex-Mitarbeiterin alle Verträge stornieren lassen zurückziehen etc. Alle noch eingereichten Schecks platzten natürlich und ich bekam mehrfache Zahlungsaufforderungen, unter anderem auch über 15.000 € für die Ausbildung, da ich ja mittendrin den Platz verlassen habe. Dieser Platz wurde bereits durch eine andere Person besetzt, aber ich habe für die Ausfallkosten gerade zu stehen.

Ich wurde tagsüber, wenn ich mich in der Stadt bewegte oder mit dem Auto fuhr verfolgt. Nach einiger Zeit hielt ich das nicht mehr aus und blieb im Haus. Ich hatte Angst, wusste nicht weiter, hatte keinerlei Freunde und auch kein Einkommen mehr. Die Förderphase des Gründungszuschusses war ausgelaufen und ich am Ende. Ich öffnete keine Briefe mehr und zog mich immer weiter zurück. Ich stellte die Heizung ab und verkroch mich in meinem kleinen Zimmer unter meiner Decke. Ich bestellte das Fernsehen und Telefon ab um weitere Kosten zu sparen. Es half nichts – es kamen Mahnungen, weil ich andere Rechnungen nicht zahlen konnte, Mahnbescheide von dem Versicherungsunternehmen, für Zahlungen (wie ich dann später erfuhr) die nicht statthaft waren. Den Mahnbescheiden habe ich Gott sei Dank widersprochen, aber mit den ganzen Rechnungen und Briefen kam ich nicht mehr zurecht und wusste weder ein noch aus. Und wieder war es ein Besuch meines Bruders, der mir half.

Er sah die ganzen ungeöffneten Briefe und Mahnungen und rief meinen Vater an: Wir kommen jetzt vorbei. Packte mich und die Briefe und setzte mich bei meinem Papa ab. Nach Minutenlangem Schweigen und der Frage meines Vaters: „Was ist los, raus damit, sonst kann ich Dir nicht helfen“ brach es weinend aus mir heraus. Ich erzählte ihm die gesamte Geschichte und wir sortierten und sichteten die Unterlagen. In diesem Moment war mein Papa mein Schuldnerberater und listete alles fein säuberlich auf, schrieb Überweisungen für die dringendsten Beiträge und schaute, wo wir eventuell noch telefonisch oder schriftlich etwas Aufschub bekommen könnten. Wir schrieben einen Vertrag und eine Rückzahlungsvereinbarung.

Ich suchte mir einen Job in einem Inkassobüro und fing dort im Outbound an, bereits nach kurzer Zeit durfte ich in den Inbound, da ich ja bereits zahlreiche Telefontrainings und Schulungen in meiner Ausbildung und bei der Telefongesellschaft absolviert hatte. Dort arbeitete ich von montags bis freitags und freitags bis Sonntag Nacht half ich in einem Döner Laden aus. So konnte ich nach und nach immer einen Teil meiner Schulden begleichen.

Das war wirklich anstrengend und nach einer Zeit war ich wirklich sehr erschöpft und gab den Wochenendjob im Dönerladen auf. Ich konnte wirklich nicht mehr.

Hindernisse überwinden.

Nach dieser Selbstständigkeit war das Angestelltenverhältnis eine gute Verschnaufpause. Aber auch hier war ich nur ein Jahr Angestellt. Man erkannte schnell meine Fähigkeiten in Verkauf und Vertrieb und setzte mich als selbstständige Vertrieblerin für Impedanz Messgeräte ein. Was das ist? Genau kann ich das nicht wirklich erklären, aber man kann sie für Anti Aging und z. B. zur Widerstandsmessung der Hautoberfläche nutzen. Diese Geräte habe ich an Ärzte verkauf. Am Telefon. Da merkt man mal wieder, ich muss nicht genau wissen, wie das funktioniert was ich verkaufe, nur wem ich es verkaufe muss ich wissen. Und hier einfach mal Zuhören. Die Experten erklären gerne und viel und ZEIGEN so ihr wissen, wollen gelobt und bewundert werden. Das ist ihr Fachgebiet – mache ich doch gerne …

Ich schaute mich weiterhin nach anderen Möglichkeiten um und bewarb mich auf

verschiedenste Ausschreibungen. Ein halbes Jahr lang passierte eher weniger. Bei einem Gespräch an einer Tankstelle mit einem befreundeten Autohändler kam einer seiner Kunden vorbei und stieg in unser Gespräch ein. Ich erklärte dem Autohändler gerade, was ich suche und der Kunde sagte: Genau das suchen wir. Am nächsten Tag noch ein kurzes Gespräch über die Konditionen und Aufgaben und schon war ich Assistentin der Geschäftsführung im Sicherheitsunternehmen und sollte beim Vertrieb der Dienstleistungen behilflich sein. Neben der Assistenz, Büroorganisation, Vertrieb & Akquise konnte ich auch meine erlernten Fähigkeiten für Veranstaltungsplanung, Events und Messeplanung einbringen. Leider erkrankte der Inhaber schwer und musste das Unternehmen Anfang 2007 aufgeben. 🙁

Ich fand – wiederum durch Kunden – schnell Ersatz in einem Unternehmen für Arbeitsbühnen. Hier hielt ich es aber tatsächlich nur 3 Monate aus. Die Bedingungen, die Kollegen, aber vor allem ein Vorgesetzter machten mir sehr zu schaffen. Das war scheinbar nicht so ganz meins. Später stellte sich jedoch heraus, wofür es gut war. Ich kündigte in der Probezeit aber erst, nachdem ich einen neuen Posten in Aussicht hatte. Eine Firma für Dentalimplantate. Super, ich wurde aus vielen Bewerbern ausgesucht und konnte als Quereinsteiger mit meiner schnellen Auffassungsgabe und Lernbereitschaft punkten. Nach einem Monat Intensivausbildung ging es los. Einen Monat später – nach einem erfolgreichen Vertriebsstart in meiner Umgebung war es allerdings schon wieder vorbei. Alle sechs neu eingestellten Außendienstler wurden gefeuert. Amerikanische Firma nach dem Prinzip Hire and Fire. Ich konnte mich noch etwas mit meinem Anwalt dagegen wehren, wollte es aber auch nicht auf die ewig lange Bahn schieben. 3 Monate später war ich auch hier raus.

Ende 2007 stand ich dann erneut vor meinem „Trümmerhaufen“ Job und Karriere und wusste nicht mehr wirklich, was ich tun sollte. Mein Bruder war vor einigen Jahren nach England ausgewandert. Hmmmm …

Neuanfang?

Zuerst war der Gedanke des Auswanderns total spannend, aufregend und geheimnisvoll. Allerdings hatte ich auch viele Bedenken. Ich sprach viel mit meinen Eltern darüber, da ich diese ja nun, wenn ich auch noch auswandere, in Deutschland alleine lassen würde.

Meine Eltern, vor allem mein Papa, beruhigten mich aber und wollten mir die Entscheidung über mein Leben überlassen. Ich solle tun, was ich empfinde, wofür ich brenne. Meine Mutter erzählte mir daraufhin, dass sie früher immer gerne nach Indien gegangen wäre, jetzt müsse man sehen, ob dieser Traum noch in Erfüllung gehen könnte. Wenn ich also eine Möglichkeit sehe, mich und meine Träume zu verwirklichen, dann solle ich das tun.

Ein befreundeter Anwalt aus Ägypten war nun das Zünglein an der Waage. Wir hatten schon häufiger darüber gescherzt und gesagt, dass ich eine Bar in Sharm el Sheikh eröffnen soll, dann könne er mich besuchen. Als ich ihn fragte was ich alles berücksichtigen müsse, wenn ich dort arbeiten wolle, hatte er gleich alles parat und unterstütze mich. Egal ob Behörden oder Genehmigungen, Anträge und Gepflogenheiten seines Landes – ich hatte einen kompletten Ägypten Knigge zur Verfügung. Und am nächsten Tag ein Arbeitsangebot von einer deutschen Kompressoren Firma mit Sitz in Sharm el Sheikh im E-Mail Postfach. Alles weitere war nur noch Organisation.

Eine Woche später flog ich hin. Ich hatte einen halben Tag Gespräche mit allen zuständigen Personen und am Nachmittag wurde mir mein Office gezeigt und meine Mitarbeiter vorgestellt. Ich bekam eine Arbeitswohnung und am nächsten Tag eine Stadtführung mit zwei anderen neuen Mitarbeitern aus Deutschland. Diese wurden allerdings nicht auf Dauer in meinem Ort eingesetzt sondern in Hurghada. Generell war es eine sehr angenehme Arbeit. Ich lernte das Tauchen, da ich die Kompressoren und Flaschenfüllungen etc. bedienen können musste, die Menschen sind sehr freundlich und hilfsbereit und es ist ein angenehmes Klima.

Aber dann kommen eben auch die anderen Seiten oder anderen Traditionen und Verhaltensweisen zum Tragen. Der Vertriebsleiter hatte mich bereits darauf hingewiesen, aber ich hatte das lässig abgewunken. Quatsch, das macht mir nichts aus. Mit der Zeit wird es aber schwierig für einen deutschen bestimmte Verhaltensweisen zu akzeptieren. Für mich war das auf jeden fall so. Ich war es aus Deutschland gewohnt, dass man sich an Verabredungen hält, dass man sich auf das Wort eines Geschäftsmannes verlassen kann… Nun in Ägypten gilt das sicher auch, allerdings in etwas – sagen wir – ausgedehnter Art und Weise. Wenn man einen Termin macht, kann man davon ausgehen, dass dieser nicht pünktlich eingehalten wird. Man kommt ein bis zwei Stunden später – im besten Fall zumindest. Aber meistens war es so, dass die Kunden ein bis zwei Tage später kamen. Im Nachhinein klingt das lustig, für eine deutsche, die gerade einen neuen Job im vertrieb in einem fremden Land angenommen hat und versucht Zahlen abzuliefern ist es das blanke Chaos.

„Ich habe genau 3 Monate ausgehalten und dann hatte ich – genau, Heimweh.“

Man bot mir an einen längeren Urlaub einzulegen und dann zurück zu kommen. Man wollte mich wirklich für den Job behalten, aber ich lehnte ab. Den 1 Monat durfte ich dann noch dort bleiben (in der Wohnung) und eine Art Übergabe für meinen Nachfolger vornehmen. Da keiner kam, hatte ich Freizeit. Der befreundete Anwalt organisierte eine Wüstentour für mich und zeigte mir noch einige Attraktionen. Ein Wochenende in Kairo und Alexandria und final in der sogenannten verbotenen roten Bucht schwimmen mit freilebenden Delfinen. WOW. Ich sage Euch, das war der Hammer. Das Highlight war allerdings wirklich die Übernachtung bei den Beduinen in der Wüste. Ich habe noch nie eine solche „Stille“ gehört. Mehr als empfehlenswert. Aber, die Heimat rief. Und nun wusste ich, wo ich hingehöre.

Wie habe ich mich und meine Bestimmung gefunden? Auslöser oder Prozess?

Ich denke in meinem Leben gab es beides: verschiedene Auslöser, die den Prozess dann ins Rollen gebracht haben.

Zurück in Deutschland war ich ja wieder am Anfang. Mein erster Weg führte mich also zu meinem Berater bei der Agentur für Arbeit. Der war ganz interessiert an Ägypten und fragte, was ich dort so gemacht habe. Dann sah er sich meinen Lebenslauf an und sagte: Sie können doch alles, was ein guter Unternehmer benötigt. Warum machen Sie sich nicht wieder Vollzeit Selbstständig? Ich: Warum? Weil das mit der Versicherung ein Desaster war. Ich habe vermutlich auch keine Möglichkeit noch einen Zuschuss zu erhalten… Er prüfte kurz die Zeiten und meinte, doch, wenn Sie mir ein schlüssiges Konzept vorlegen, dann kann ich Ihnen den Gründungszuschuss gewähren.

Ich war erstmal wie vor den Kopf gestoßen. Ich wollte eine Anstellung und sollte keine bekommen. Es war Ende 2008 und der Markt war schwierig. Vertrieb und Marketing wurden als erstes gekürzt. Einstellungen erst in 6 Monaten. Sprich, mein Berater hat mir die kurzfristigste Alternative auf dem Silbertablett serviert. Und sagte: Ich gebe Ihnen einen Termin in 14 Tagen, da möchte ich Ihr Konzept in Form eines Businessplanes vorliegen haben. Ich bin gespannt. Ich nahm den Zettel mit dem Termin, bedankte mich verwirrt und verließ das Gebäude. Kopfschüttelnd.

Ja klar, mal eben so nen Plan schreiben und ein Konzept. Nichts leichter als das – wetterte ich vor mich hin. Zuhause angekommen schaute ich mir die Unterlagen an und recherchierte im Internet. Dann dachte ich – das hast Du doch schon mal gemacht. Ich suchte meine „Bedienungsanleitung“ und folgte quasi meinen eigenen Schritten. Was ich bereits nebenbei angeboten hatte, sollte nun meine Hauptberufliche Tätigkeit werden: Büroservice. So schrieb und tüftelte ich, recherchierte und überlegte und hatte nach 2 Wochen ein neues Konzept: Büro- & Vertriebsservice.

In der Zwischenzeit lernte ich – über einen witzigen Umstand – meinen heutigen Mann Mario kennen. Dieser hatte sich Anfang 2008 selbstständig gemacht. So hatten wir direkt ein Gesprächsthema und er unterstützte meine Idee mit grafischen Elementen, beim Aufbau einer Homepage, erstellte mir professionelles Briefpapier und Visitenkarten und wir entwarfen gemeinsam in einem Brainstorming einen passenden Namen: Dr. Außendienst oder auch Draußendienst. Der Kunde, die Aufträge, alles Draußen.

Womit verdiente ich dann? Wie habe ich meinen ersten Auftrag erhalten?

Das vorgelegte Konzept wurde von meinem Vermittler bei der Agentur für Arbeit direkt gelobt und er fragte mich, ob ich Interesse habe, auch andere bei Ihren Projekten zu unterstützen. So kam ich an die KfW nicht als Hilfesuchende sondern bewarb mich dieses mal als Gründercoach und wurde auch direkt akkreditiert.

Den ersten Auftrag erhielt ich von einem meiner früheren Arbeitgeber – dem Arbeitsbühnenverleih. Hier vereinbarte ich für alle 16 Außendienstler die Termine und akquirierte die Neukunden. Somit hatte ich schon einige Fixkosten abgedeckt. Allerdings war die Kundenakquise anfangs nicht so leicht. Ich hatte ja noch keinen wirklichen Kundenstamm. So kam es dazu, dass ich – durch Zufall – noch auf eine andere Einnahmequelle stieß.

Jeden Tag, den ich im Büro des Arbeitsbühnenvermieters saß, kam ein Brötchenwagen vorbei. Für die Frühstücks- oder Mittagspause holten wir uns dort oft unsere Brötchen oder auch mal kleinere Mittagsmenus. Gaby, die Inhaberin, war schon seit einiger Zeit auf der Suche nach einer Aushilfe für den frühen Vormittag. Wir kamen ins Gespräch und ich erzählte ihr unter anderem von meinem Werdegang und meiner Ausbildung im Lebensmittel Einzelhandel. Schnell wurden wir uns einig und ich konnte bereits eine Woche später zum Probearbeiten bei Ihr beginnen. Und ab da hieß es dann – früh aufstehen zum Imbisswagen vorbereiten. Ich schmierte dann ein halbes Jahr lang Vormittags in der Zeit von 04.00 – 9.00 Uhr Brötchen (für den Wagen) und verkaufte Kaffee und belegte Brötchen in Ihrem Imbiss in Westerkappeln.

Danach begann dann für mich die „normale“ Schicht in meinem Business. So konnte ich mir in der Anfangszeit ein wenig „Entspannung“ bezüglich des Einkommens verschaffen, zeitlich und auch körperlich war das eher sehr anstrengend. Das führte letzten Endes auch dazu, dass ich diesen Nebenerwerb wieder aufgab. Aber es hielt mich anfangs über Wasser.

Durch Empfehlungen oder auch Telefonate mit ehemaligen Kunden erhielt ich dann nach und nach neue Kunden und auch Aufträge. Manchmal waren es kurzfristige Einsätze, weil ein Mitarbeiter im Büro krank wurde, Vertretungsaufgaben für die telefonische Erreichbarkeit oder einfach das Aufsetzen von Schreiben für einen Anwalt, Arzt oder anderen Freiberufler. Ich sortierte Buchhaltungsbelege für Firmen vor, die diese mir in Schuhkartons brachten oder ordnete Versicherungsunterlagen für Privatkunden, die sich nicht mehr zurecht fanden. Ich räumte Schreibtische auf und half Menschen dabei Ihre eigene Ordnung zu finden und – ganz wichtig – diese auch beizubehalten. Wenn ich da war, dann meist nur für kurze Zeit. Denn, wenn meine Kunden das System verstanden hatten, dann brauchten Sie mich nicht mehr – denn; die Ordnung war wieder hergestellt. So bewarb ich mein Unternehmen dann auch, als Interims-Organisatorin oder Ordnungshelfer, Büro Fee oder Sortierhilfe.

Mir fiel auf, dass ich vielen Menschen half eine klarere Struktur zu finden und schrieb auch hier wieder eine Bedienungsanleitung für die Kunden. Diese konnte ich dann bald in einer Art Workshop mehreren Personen gleichzeitig nahe bringen.

Zeitgleich traf ich über Xing auf einen Trainer, der im Bereich Vertrieb eine Art Trainergemeinschaft aufgebaut hatte und bundesweit Firmen im Außendienst begleitete. Hier durfte ich dann für Nordrhein Westphalen und Niedersachsen für ihn tätig werden. Ich begleitete Außendienstmitarbeiter im Training on the job und zeigte ihnen nach dem Motto: Erläutern – zeigen – üben, wie Sie an Ihre potentiellen Kunden gelangen und mit diesen eine nachhaltige Geschäftsbeziehung aufbauen können.

Um noch besser zu verstehen, wie meine Kunden so denken und agieren, entschied ich mich eine Coaching Ausbildung zu absolvieren. Ich lernte so auch die Psyche des Menschen und bestimmte Verhaltensweisen, seine Muster oder auch Glaubenssätze zu erkennen und diese auch zu lösen. Gesprächsführung und auch das Coaching mit Einzelpersonen sowie mit Gruppen. Meine eigene Arbeit wurde mir sehr viel klarer und meine Schreibtischorganisation war bereits seit Jahren ein gezieltes Einzelcoaching mit meinen Kunden. Ich bildete mich also parallel weiter fort und erlernte auch noch die Hypnose um Klienten mit tiefer sitzenden Herausforderungen unterstützen zu können.

Seit dieser Ausbildung passte der Name und das Gesamtkonzept von Draussendienst Büro- & Vertriebsservice für mich nicht mehr so ganz. Es war nicht mehr stimmig. Ich brauchte einige Jahre um eine klare Vorstellung zu bekommen, was ich damit zeigen oder anbieten möchte und kam von Coaching Mentor über Coaching, Teaching, Training letztendlich auf Nicole Führing >>Professionell zuhören<<

Was war schwierig daran? Wie bist Du damit umgegangen? Wie hast Du die Hindernisse überwunden?

Anfangs lief alles auch ganz gut. Schwierig war weiterhin das dauerhafte neue finden von Kunden. Die Akquise, die ich als Trainerin für andere so meisterhaft beherrschte. Aber, je klarer mein Angebot, meine Lösungen wurden, je genauer ich mir vorstellen konnte, wer meine Kunden sind und welche Lösungen ich Ihnen anbieten konnte, desto klarer wurden auch meine eigenen Werbeaussagen und so stimmiger das Gesamtpaket.

Schwierig war außerdem die private Situation. Weil ich viel Zeit in den Aufbau und das Wachstum meiner Selbstständigkeit steckte, wurden die Freunde immer rarer. Viele Angestellte verstehen nicht, dass man sich bis in die Nacht hinein mit seinen Aufgaben beschäftigt, oder auch mal ganz kurzfristig Aufträge annimmt um einen Interessenten oder Neukunden zu halten.

Da mussten Verabredungen verschoben werden und Planungen wurden mehrfach über den Haufen geworfen. Die wenigen Freunde, die wir noch hatten, zogen sich nach und nach dann auch zurück.

Wenn ich so zurück blicke, war es häufig so, dass Freunde immer nur dann da waren, wenn es mir gut ging. In meinen Hochzeiten bei der Telefongesellschaft oder dem Dentalimplantat-Hersteller verdiente ich schon in jungen Jahren sehr gut und fuhr immer schicke Autos. Das zog vermeintliche Freunde an – heute weiß ich, dass es nur Mitläufer waren- Publikum halt. Diese Personen haben mich aber ganz schnell fallen gelassen, als klar war, dass ich nicht mehr gut verdiene oder jedes Wochenende zum Feiern und Tanzen einlade oder mitgehe.

Seither schaue ich auch hier etwas genauer hin. Mein Freundeskreis ist zwar wahnsinnig geschrumpft, hat aber inzwischen Verständnis für mein Arbeitsleben und kann auch mal mit einer Terminverschiebung leben.

Was war meine schlimmste Situation, die sich im Nachhinein als besonders wertvoll herausgestellt hat? Was habe Ich daraus gelernt?

Schwieriger noch als die Situation mit meinen Freunden empfand ich allerdings die Momente in denen Kunden nicht zahlen konnten oder wollten. Schnell lernte ich auch auf Kleinigkeiten bei meinen Kunden zu achten. Da betreust Du einen Kunden, spricht alles mit ihm ab, die Bezahlung ist abgesegnet und dann? Nach Rechnungsstellung kommt nichts. Du versuchst den Kunden zu erreichen, keine Annahme, schreibst E-Mails oder Briefe. Immer noch nichts. Dann der Mahnbescheid und der Hammer direkt hinterher – der Kunde hatte bereits zuvor eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben und war nicht zahlungsfähig. Sicher, das ist Betrug. In diesem Moment kommt es aber nicht auf den Betrug an, sondern auf das fehlende aber eingeplante Einkommen. 🙁

Ich bin in solchen Momenten wahnsinnig enttäuscht gewesen. Nicht nur von den Kunden, vor allem von mir. Ich bin ein offener und ehrlicher Mensch und zeige meinen Kunden auch, dass wir gemeinsam schwierige Situationen bewältigen können. Sollte jemand mal Zahlungsschwierigkeiten haben, bin ich die letzte, die nicht auf eine Ratenzahlung eingeht. Ich bin enttäuscht, dass man mich so ausgenutzt hat. Zukünftig müssen andere Kunden darunter „leiden“ und werden zur Vorkasse oder Abschlagszahlung gebeten. Oder die Verträge werden noch genauer und enger formuliert, aber auch das hilft nicht in jedem Fall. Ich habe aber dadurch gelernt auf mein Bauchgefühl zu hören. Wenn mir etwas seltsam vorkommt, oder auch jemand zu schnell zu viel Information oder Wissen vorab haben möchte, trete ich inzwischen auf die Bremse.

Gelernt habe ich daraus, dass ich mich selbst nicht verlieren darf. Ich habe inzwischen eine gute Menschenkenntnis und ein Gefühl für solche Situationen entwickelt. Ich darf mehr nachfragen und skeptischer sein, wenn mein Bauchgefühl mir einen Hinweis gibt. Ich sollte immer einen Vertrag mit Kunden abschließen, allein zu meiner eigenen Absicherung.

Außerdem reagiere ich inzwischen schneller bei Nichteinhaltung von Zahlungszielen und nehme durchaus (je nach Auftragsvolumen) eine Anzahlung. Das ist auch branchenüblich und bei den Kunden auch anerkannt.

Wobei viel schlimmer für mich wohl die vergangenen 1 ½ Jahre waren. Eine Hiobsbotschaft jagte die nächste und einmal in dem Strudel, war es schwer sich regelmäßig zu motivieren.

Begonnen hat die schlimme und anstrengende Zeit mit dem Herzinfarkt meines Mannes. Plötzlich stand ich da mit zwei Unternehmen und einer Menge Arbeit und das Ende November. Jeder Auftraggeber meines Mannes wollte noch vor der Weihnachtszeit seine Broschüre, seine Website oder etwas Anderes fertiggestellt haben, und jeder wollte der erste sein. Meine Kunden wollten aber auch bedient werden.

Ich informierte also zuerst alle unsere Kunden über die aktuelle Situation. Der Großteil hatte Verständnis und meinte, wir sollen uns zuerst um uns kümmern und die Aufgaben seinen nicht so wichtig. Im nächsten Jahr können diese Dinge auch noch fertig gestellt werden. Aber ca. ein Drittel der Kunden versuchte aus dieser Situation noch Kapital zu schlagen. Um nur ein Beispiel zu nennen, ging es in einem Fall um eine Broschüre. Der Kunde hatte den Auftrag im August erteilt, aber seither kaum Inhalte geliefert oder es fehlten essentielle Informationen wie Telefonnummern oder Anschriften, konkrete Angebote für die Broschüre und der gesamte Text. Kurz vor dem Infarkt hatte der Kunde nun geliefert. Die Broschüre war also zu 95 % fertiggestellt und das in kürzester Zeit. Jetzt meinte der Kunde, Mario solle sich mal gut erholen, er würde die Broschüre – so wie sie jetzt ist – für den halben Preis nehmen und bei einem anderen Designer fertigstellen lassen.

BÄM … ich war geschockt, fassungslos und enttäuscht. Mein Mann war gerade über den Berg und sollte sich erholen, also nicht arbeiten, und würde – zumindest in den nächsten 3 Monaten nicht wirklich zum Verdienst beitragen – und nun wollte der Kunde eine beauftragte Summe mal eben halbieren.

Klar kann man jetzt sagen, den Umsatz kann man erst berechnen, wenn er auf dem Konto stehe, aber die Arbeit war ja so gut wie fertig gestellt. Nach kurzer und heftiger Entrüstung und Rücksprache mit einem befreundeten Agenturleiter gab dieser mir den folgenden Tipp: Kurzfristige Abgabe und Fertigstellung kostet extra. Der Designer hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen und hätte das Projekt innerhalb der vorgegebenen Zeit fertig gestellt, es lag am Kunden. Das war auch so in den Vereinbarungen festgehalten. Unter diesen Umständen könne der Kunde die Broschüre – so wie sie jetzt ist – zum vereinbarten Preis erhalten und bei einem anderen Auftraggeber fertig stellen lassen. Der Kunde hat akzeptiert und ich war beruhigt. Aber gestresst.

Daraus habe ich gelernt auch bei Auftragsanbahnung bereits auf mein Bauchgefühl zu hören. Wenn einem etwas seltsam vorkommt und der Kunde sich ständig über meine Vorgänger beschwert, weil diese z. B. zum Ende hin immer alles extra berechnen, dann bedeutet das, dass der Kunde auch immer eine Teilschuld daran getragen hat, denn so, wie sie sich am Anfang der Zusammenarbeit äußern und was sie nicht alles abliefern, ist es in der Realität dann eben doch nicht.

Ein neuer Kunde war zu diesem Zeitpunkt dann eine kurzfristige „Rettung“. Auch hier hieß es: Wir wachsen zusammen, wir werden zusammen groß. Wir planen in den nächsten 3 Jahren zahlreiche Filialen zu eröffnen und nehmen Euch mit. Im Moment haben wir aber nicht so viel Geld für Eure Aufgaben, das Budget ist also recht beengt. Wir einigten uns auf eine – sagen wir annähernd gerechte Bezahlung – die aber darauf basierte, dass sowohl Mario als auch ich von dem Unternehmen einen gewisses Auftragsvolumen erhielten. In der Mischkalkulation war es dann für uns okay.

In den nächsten 6 Monaten baute ich für das Unternehmen eine konkrete Unternehmenskommunikation auf, richtete auch das Wording für die gesamte Kundenkorrespondenz via E-Mail und Post ein. Baute eine Telefonhotline auf und bediente diese von Montag bis Sonntag (da das Unternehmen auch 24 Stunden geöffnet hat) und stellte die gesamte telefonische Kundenbetreuung auf. Ich erledigte außerdem den Inkassobereich am Telefon und gab die Verträge der Kunden tagesaktuell ein. Mario kümmerte sich um Logodesign, Layout der Broschüren und der Homepage sowie Einrichtung von E-Mailkonten und deren Betreuung und die Gestaltung und Instandhaltung der Homepage. Ich musste sogar eine Woche eine Nachtschicht einlegen, weil der Server abgestürzt und die Daten der Kunden nicht übertragen wurden, sprich 1.000 Verträge erneut eingeben.

Mit jedem Monat wurden meine Abrechnungen genauer unter die Lupe genommen und man versuchte scheinbar einen Fehler zu finden. Ob die Arbeit nicht auch günstiger zu machen sei. Da doch bald mehr Filialen dazu kämen, hätte ich doch auch etwas davon. Außer mehr Arbeit zu schlechterer Bezahlung war zu diesem Zeitpunkt aber nichts zu erwarten. Und dann kam ein persönliches Gespräch mit dem Gebietsverkaufsleiter. Er wollte mir auf schonende Weise mitteilen, dass die Frau vom Chef jetzt doch in das Unternehmen einsteigen wolle. Und sie sei gelernte Kauffrau. Sie könne ja in Zukunft meine Aufgaben übernehmen und ich werde dann nicht mehr gebraucht. Zum Folgemonat war ich also raus.

Die Krux an der Geschichte: Ich war diejenige, die noch den Löwenanteil bei dem Deal ausgehandelt hatte, auch wenn das im Nachhinein betrachtet, auch zu wenig war.

Mario könne ja gerne weiter für sie arbeiten, aber ich solle doch bitte verstehen, dass man das nicht doppelt bezahlen könne. Die Anforderungen an Marios Aufgaben stiegen aber auch zeitgleich mit meiner Kündigung, denn: es machte eine weitere Filiale auf. Da Mario nur einen Stundensatz für jede weitere Filiale pro Monat erhält, steht das in keiner Relation.

Hieraus haben wir gelernt auch die passenden Verträge sind wichtig, nicht nur Verträge im Allgemeinen. Hier hätte von meiner Seite ein sogenannter Werkvertrag (z. B. mit einer bestimmten Mindestlaufzeit) abgeschlossen werden müssen. Ich hatte lediglich eine monatliche Pauschale und – für die verschiedenen Posten – Einzelbeträge in einer Auftragsbestätigung aufgelistet. Zusätzlich sind entsprechende AGB mit Laufzeiten oder Kündigungsfristen mehr als hilfreich.

Für mich war der Kunde also futsch.

Coaching war jetzt für den Übergang geplant und ich hatte gerade ein Jahrescoaching mit einer Klientin vereinbart, dass in der Woche darauf anfangen sollte. Der Klientin ging es nicht so gut und sie verschob den Termin um 14 Tage – kann ja mal passieren. Leider verstarb die Klientin in der Woche darauf. Auch dieses Jahrescoaching war also nicht mehr Zustande gekommen.

Egal dachte ich mir, ich habe noch meine Trainingsaufträge und da beginnt die Saison im Mai/Juni und neue Aufträge und Mandate waren bereits über meinen Partner Peter gefixt. Leider verstarb Peter Mitte Mai an plötzlichem Herzversagen. Da alle Aufträge über sein Unternehmen liefen, kam ich nicht an die Kunden heran. Die bereits gebuchten Aufträge wurden – zu allem Übel – nicht von seinem Sohn verfolgt. So wurden Vorab-Gesprächstermine nicht eingehalten und diese Aufträge waren verloren.

„Das war ein Stich ins Herz.“

Nicht nur, dass ich einen tollen Kollegen und Partner verloren hatte, meine fix gebuchten Aufträge und die Absicherung, dass im Falle eines nicht zustande kommenden Vertrages durch Peter ein Ausgleich für meine freigehaltene Zeit gezahlt würde – alles weg.

Okay, wieder neu ordnen und sammeln. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich verschiedene Privatpersonen im Coaching und konnte noch einige Zusatztermine anbieten. Die Klienten hat es gefreut. Also erstmal in Richtung Coaching weitermachen.

Ich arbeitete mehr an meinem Unternehmen als darin und probierte neue Werbemöglichkeiten aus, sprach ehemalige Klienten an und bat um Empfehlungen oder fragte nach Veränderungen und ob ich weiter unterstützen könne.

So lief dann erst auch wieder das Marketing für mich selbst und ich betreute ja auch noch meine Kunden aus dem „Draussendienst“ im Bereich Social Media. Hier verwalte ich die Facebook Fanpages einiger Unternehmen, für die Mario die Webauftritte erstellt hat. So arbeiten wir eng zusammen und können selbst die Bilder, die Mario als Fotograf für die Websites macht, gleich auch für Facebook nutzen. Logos und aktuelle Informationen stellt er mir so zeitnah zur Verfügung, dass diese auch tagesaktuell im Social Media veröffentlich werden.

Mit den regelmäßigen Einkünften aus den Coachings und Werkverträgen meiner treuen Kunden konnte ich also auch diese Einschnitte gut auffangen. Mario war leider seit Mitte des Jahres schon wieder voll am arbeiten, aber wir achten seither darauf regelmäßige Pausen einzuhalten und z.b. die Spaziergänge mit unserem Agenturhund – der Beagledame Curby – noch mehr zu genießen.

Ein weiterer heftiger Einschnitt traf mich dann im November des letzten Jahres. Mein Papa ist plötzlich und unerwartet verstorben. Er war 60 Jahre jung und wir hatten eine sehr tiefe Verbindung. Mario informierte den Großteil der Kunden. Meine Kunden waren sehr verständnisvoll und gaben mir alle Zeit die ich brauchte. Auch Marios Kunden hatten durchweg Verständnis.

Anfangs funktionierte ich einfach. Ich regelte alles. Ich informierte die Versicherungen und Behörden, regelte die Beerdigung, kümmerte mich um den Papierkram, sortierte Mamas Unterlagen, begleitete sie zu den anstehenden Gesprächen und Terminen bei Banken und Notar etc.

Es war eine schöne Beerdigung. So, wie Papa sie sich gewünscht hatte. Weihnachten rückte näher, natürlich waren wir alle traurig, aber es schweißte auch zusammen. Es war auszuhalten und ich versuchte mich auch ein wenig mit der Planung für das neue Jahr, durch Verabredungen und mit Gesprächen mit Freunden abzulenken.

Das gelang bis ungefähr Mitte Januar. Am 14. und 16. Januar – Papas Einlieferung und der Todestag waren gerade zwei Monate her – begann die Trauer aus mir heraus zu brechen. Ich weinte – ohne zu wissen warum – ganz plötzlich. Erst einige Tage später wurde mir bewusst, dass es scheinbar mit dem Datum zusammenhing. Genauso am 24. – der Tag der Beerdigung – und seither versuche ich noch offener damit umzugehen. So fällt es mir leichter ihn gehen zu lassen. Und auch, wenn es anstrengend war, aber seit Januar bin ich wieder voll im Einsatz und meine Kunden unterstützen mich wo es nur geht – sie haben echtes Verständnis.

Was hat sich alles verändert? Was mache ich jetzt anders? Was ist heute für mich wichtig?

Wir haben in dieser Zeit viel über uns selber gelernt und ich denke, dass wir schwierige Zeiten haben, wenn wir uns selbst aus den Augen verlieren.

Die Ängste, die uns vor bestimmten Schritten abhalten, haben oft mit einem Mangelgedanken zu tun. „Wenn ich den Kunden nehme, dann habe ich wenigstens etwas verdient.“ Anstatt zu sagen: „Den Kunden, Ärger und die Zeit spar ich mir.“ In dieser Zeit kann ich wichtiges an meinem Unternehmen tun, oder die Zeit mit meinem Partner ohne Stress genießen. Das ist den Umsatz nicht wert.

Aufträge loslassen, Kunden vor die Tür zu setzen ist eine große Herausforderung, aber als Selbstständige habe ich gelernt „Nein“ zu sagen. Kunden auch mal ablehnen oder an jemanden weiterempfehlen, der das vielleicht besser kann oder der besser zu dem Kunden passt.

Wenn ein Kunde mich nicht wertschätzt, wenn ein Kunde nicht pünktlich bezahlt, wozu brauche ich ihn dann? Ich höre oft in meinen Vertriebstrainings:

Verkäufer: Der Kunde hat nicht gezahlt, was soll ich tun?

Ich: Mahnen Sie und wenn er nicht zahlt, setzen sie ihn auf Vorkasse und wenn das nicht funktioniert, dann weg mit ihm.

Verkäufer: Aber es ist doch so ein guter Kunde.

Ich: Ein guter Kunde zahlt pünktlich und lässt sie nicht auf Vereinbarungen sitzen. Zahlungsziele sind auch Vereinbarungen.

Das habe ich jahrelang trainiert und konnte es – aus Angst – selbst oft nur zögerlich umsetzen, das ist jetzt anders.

Aber auch die Wahrnehmung hat sich verändert. Durch den Tod so vieler nahe stehender Menschen, und vor allem meines Vaters, habe ich gemerkt, was mir wirklich wichtig ist, was mir wirklich etwas bedeutet. Die Zeit mit Menschen, mit Menschen, die mich mögen, Wertschätzung, Freude über kleine Dinge im Leben, Achtung, respektvoller Umgang, denn vielleicht habe ich nach dem letzten Gespräch nie wieder die Möglichkeit dazu. Wer weiß das schon? Daher ist mir das „Professionell zuhören“ in meinem Firmennamen auch noch wichtiger geworden. Auf andere mehr achten, hinhören und zwar aktiv, nachfragen – auch, wenn es vielleicht etwas unangenehm sein kann, aber manchmal brauchen andere diesen Schubs, um sich zu offenbaren. Daher bin ich jetzt noch hellhöriger geworden.

Wie hat mein Umfeld auf meine Veränderung reagiert?

Viele Freunde und Verwandte freuen sich, dass wir uns mehr Zeit für uns nehmen, dass wir uns selbst wichtiger nehmen. Auch mal fünfe gerade sein lassen.

Natürlich geht das auch nicht immer, aber wir verschaffen uns Zeitinseln, nehmen mal ein Wochenende Auszeit oder machen mehr Sport. Jetzt ist auch mal wieder ein Urlaub fällig, den wir aus vermeintlichen monetären Gründen, zuvor nicht gemacht haben.

Auch Coachkollegen freuen sich über die Veränderung und sogar Klienten nehmen diese wahr – und das wiederum im positivsten Sinne.

Ich bekomme aktuell mehr Aufträge, weil ich mich bei mir angekommen fühle. Ich kann klarer formulieren, worum es mir geht. Ich weiß aber auch ganz genau, was ich NICHT möchte. Das kann ich – nach langer Zeit – auch ohne schlechtes Gewissen ablehnen.

Angebote, die ich vor einem halben Jahr versendet habe, wurden neu aufgerollt und angefragt. Mit der konkreten Bitte um Umsetzung. Nicht in 3 Wochen, nein Jetzt.

Mein Terminkalender füllt sich gerade schnell und übersichtlich. Ich kann meine Termine besser vergeben und bleibe trotzdem bei mir selbst. Ich habe keine Angst mehr, einen Kunden zu verlieren, weil ich nicht schnell genug bin. Von einem meiner Trainer und Begleiter, dem Peter der nun leider verstorben ist, habe ich eines gelernt: Geschäftsbeziehungen baut man langsam und stetig auf. Lieber Kunde, wir haben in den letzten 100 Jahren nicht zusammen gearbeitet, da kommt es jetzt auf die eine Woche auch nicht an, oder? Mit einem charmanten Lächeln versehen reagieren die Anfragenden inzwischen sehr entspannt und wir finden für jeden den passenden Termin. Mein Umfeld spürt auch hier die Entspannung in meiner Art & Weise. Ich bin gelassener.

Wie zufrieden bin ich mit mir?

Das ist mal wieder eine von diesen Fragen, die wir Coaches selbst gerne stellen, aber wenn sie an uns gerichtet ist … naja … aber ehrlich.

Ich bin zufriedener als die letzten 10 – 15 Jahre. Ich habe immer ein Stück mehr Zufriedenheit pro Jahr, mit Erfahrungen, mit Konfrontationen, mit Herausforderungen usw. dazu gewonnen.

Das ist ein stetiges Wachstum in mir. Ich bin recht selbstkritisch und hinterfrage mich ständig selbst, schaue erst bei mir in Problemsituationen (Was habe ich falsch gemacht im Auge des anderen? Was könnte ich anders machen?) aber mit mir bin ich schon recht zufrieden. Das ist für mich allerdings noch ein Unterschied zum Thema Selbst–Bewusst-sein oder Selbst-wert.

Was sind noch so persönliche Baustellen?

Genau die eben genannten vermutlich. Wobei ich ständiger Veränderung und Wachstum unterliege, also bin ich wohl eine einzige Baustelle. Stillstand wäre aber auch nicht akzeptabel. Ich bin nicht fertig, ich lerne jeden Tag dazu. Das macht Spaß und daran baue ich gerne.

Nicole mit Hut

„Ich bin nicht fertig, ich lerne jeden Tag dazu. Das macht Spaß und daran baue ich gerne.“

Ich lerne auch hier gerade viel dazu. Durch Coaching, Yoga, Qi-Gong und die Arbeit mit meiner Heilpraktikerin, bin ich wieder zu meinem Körper zurück gekommen. Ich lerne Zusammenhänge verstehen und begreife erst jetzt – in den letzten Jahren – den wirklichen Zusammenhang zwischen Körper – Geist & Seele. Wirklich bewusst wurde es mir nach dem Tod meines Vaters. Ich funktionierte eine Zeit lang kongnitiv – ich regelte alles, konnte anfangs nicht wirklich zu meiner Trauer finden, aber meiner Körper schaffte es. Es bildeten sich Verhärtungen, Muskeln im Brust/ Herzbereich zogen sich zusammen und boten mir Einhalt. Ich konnte mich kaum noch bewegen, war wie erstarrt. Ich hatte das Gefühl, mein Herz wurde zerrissen, nicht nur gedanklich, sondern körperlich, und da ich recht feinfühlig auf äußere Einflüsse reagiere, wurde mir einmal mehr klar, wie wichtig der aktive und interessierte Kontakt, ja Austausch und das Zuhören oder hinhören auch bei dem eigenen Körper ist.

Worin verlierst Du Dich?

Ich lerne und probiere gerne aus. Und wenn ich dann eine Idee oder etwas Neues finde, dann kann ich mich schon einmal darin verlieren. Das bedeutet dann, dass ich es so lange probiere, teste oder ausführe, bis ich meine genug davon zu haben oder mein Interesse auf etwas anderes gelenkt wird. Das kann recht kurz sein oder aber auch eine ganze Weile dauern. Verlieren bedeutet in diesem Zusammenhang für mich, dass ich voll und ganz in das Thema eintauche und mich dann nicht ablenke lasse.

Woher nimmst Du Energie?

Mein Papa sagte früher immer zu mir, dass ich das Mensch gewordene „Perpetuum mobile“ sei. Ständig in Bewegung und immer auf Achse, schon von klein auf an. Ich tanke Energie aus der Freude anderer, aus der Bewegung und manchmal auch aus dem einfachen ausruhen. Ein Mittagsschlaf von 30 Minuten ist ungefähr so wohltuend, wie ein 10-minütiger Anruf einer Freundin oder das nette kurze Gespräch mit den Nachbarn. Ich ziehe meinen Elan und meine Energie immer wieder aus meiner Umgebung und der Dankbarkeit dafür, was ich alles hatte, habe und noch bekomme. Ich bin ein glücklicher Mensch, weil ich in einer Umgebung aufwachsen durfte, die beschützt und sicher war, ich hatte immer genug. Und wenn ich anderen stets genug wünsche, dann ist das auch eine Möglichkeit von ihrem Lächeln neue Energie zu erhalten. Ich bin einfach dankbar, jeden Tag, für alles, das gibt Energie.

Woher weißt du, was dir und wer dir gut tut und was auch nicht?

Das weiß ich nicht. Nie. Ich habe ein Bauchgefühl. Ich sollte diesem häufiger vertrauen. Aber ich habe auch eine Art Motto: Auch, wenn ich noch so oft verarscht wurde, ein neuer Kontakt, ein anderer Mensch kann nichts dafür. Er hat mein Vertrauen – genau wie jeder andere zuvor.

Ich weiß, das ist gewagt und bringt auch viele Menschen dazu mich auszunutzen. Ich gebe zu, das passiert. Immer mal wieder. Aber das macht jeder nur einmal oder eine gewisse Zeit mit mir. Danach hat er sich alle Möglichkeiten vertan. Ich fahre ganz gut damit und für neue Kontakte ist es einfacher offen und herzlich empfangen zu werden, als mit Mißtrauen und unnötiger Schärfe.

Wie entscheidest Du, was Du machst?

Gute Frage. Ich tue es oftmals einfach. Etwas Bauchgefühl, eine Prise Erfahrung, Spontanität und Wahnsinn. Je nach Anforderung setze ich mich auch hin und plane gewisse Dinge, meist reagiere ich aber eher spontan oder für mich typisch. Ich habe mir bestimmte Gewohnheiten angeeignet und stelle gerne und viele Fragen. Aus den Antworten heraus kann ich dann auch gute Entscheidungen treffen.

Was waren für Dich wichtige Helfer und Orientierungen?

Ganz klar meine Familie. Mein Papa, mein Bruder und aktuell meine Mutter.

Aber auch andere Menschen, die mich begleitet haben. Manche als abschreckendes Beispiel und andere als Lehrer. Wie z. B. Peter, mein Trainer und Mentor. Ich habe oft versucht mich an anderen Menschen zu orientieren und wusste lange nicht, warum das nicht funktionierte. Ich dachte oft ich sei zu dumm, zu klein, zu dick, zu langsam etc … aber das war es nicht. Ich war einfach zu anders. Ich hatte schon früh ganz andere Interessen und war in guter Verbindung zu mir und der Natur. Ich wollte noch mehr Fragen beantwortet haben und noch mehr wissen. Daher wechselten meine Helfer stetig. Ich ging durch verschiedenste Freundschaften und Begegnungen und glaube heute, dass Kontakte im Allgemeinen meine Helfer und auch meine Orientierung waren.

Was bedeuten für dich Begegnungen und Menschen allgemein?

Ohne die Frage vorher gelesen zu haben, habe ich sie am Ende der letzten Frage schon teilweise beantwortet. Begegnungen, zuhören – im Austausch mit anderen zu sein. DAS ist für mich Leben. Bock auf Kontakte ist auch der Leitsatz meiner Akquise-Vorträge und Seminare.

Die Strategie, die ich Menschen näher bringe ist, den Kontakt, den persönlichen Kontakt zu sich und zu den Menschen wieder zu finden.

Was waren deine bewegendsten Momente in deinem Leben?

Ich glaube, dass es viele sehr bewegende Momente in meinem Leben gibt. Aus der aktuellen Sicht kann ich den kürzlichen Tod meines Vaters nennen – und zwar mehrfach. Ob es der Moment des Infarktes war, der erste Moment im Krankenhaus als wir nach 8 Stunden warten zu ihm durften oder der Moment als er letzten Endes eingeschlafen ist. Genauso die Beisetzungsfeier. Wir haben einige Lieder – passend zu seinem Leben – ausgesucht. Wenn ich diese nun höre, bin ich noch immer sehr bewegt und sie sind auf ewig damit verbunden. Ich kann mich darin fallen lassen und einfach wieder trauern, weinen, loslassen.

Die Gespräche an kalten Abenden auf der Bank unserer Terrasse, wenn ich zum Himmel schaue und Papa über den Tag berichte.

Aber auch der Moment als meine Mutter sich freude-trauernd für den Blumenstrauß zum ersten Valentinstag ohne Papa bei mir bedankte.

Alle Momente, die mit Tieren in meinem Leben zu tun haben. Als ich einem Kälbchen das erste mal auf die Welt geholfen habe und es die ersten 72 Stunden nicht verlassen habe, da es nur in meinem Beisein und von mir Milch angenommen hat. Toller Moment.

Das Schwimmen mit frei lebenden Delfinen währen meiner Zeit in Ägypten oder – auch sehr bewegend – eine Nacht in der Wüste. Diese Stille, wenn Du Deine Gedanken sprechen hören kannst, dein Herz klopfen und das Blut in Deinen Adern fließen, weil einfach keine Geräusche, kein Lärm um Dich herum dich bedrängt oder ablenkt.

Jedes Mal, wenn mein Bruder uns aus England besucht oder umgekehrt. Da springt das Herzchen.

Was berührt Dich?

Geschichten, Menschen und ihre Geschichten. Schickale. Einzelheiten. Ungeduldiges Warten, aber doch noch durchhalten. Natürlich auch Filme oder Musik, je schmalziger – desto besser. Da kann ich mich fallen lassen, das ist auch eine Art Ventil für mich. Ich muss regelmäßig weinen. Das kann ich Gott sei dank auch. Inzwischen entschuldige ich mich auch nicht mehr ganz so oft dafür. 😉

Was findest Du ganz wundervoll?

Lachen, Fröhlichkeit, Beisammensein. Familie – solange es keinen Stress gibt. Babys und ältere Menschen die Geschichten erzählen. Menschen, die etwas tolles können, wie singen, malen, zeichnen oder nähen und das mit anderen teilen. Helfen ist etwas Wundervolles. Und Hilfe annehmen ebenso, aber das ist manchmal noch schwer für mich.

Was vermisst Du und macht Dich auch traurig?

Meinen Papa. Ganz doll. Ich liebe Dich Papi – für immer.

Manchmal meine Freunde, wenn wir uns nicht so häufig sehen können, aber das legt sich schnell wieder.

Traurig macht mich oft, wenn ich weiß, dass es anderen schlecht geht, ich aber nicht helfen kann. Dann versuche ich einfach zuzuhören, da zu sein. Manchmal denke ich aber auch an mich, weil es mir vielleicht nicht gut geht, dann kann es sein, dass ich für andere nicht da sein kann. Damit kann ich nicht gut umgehen. Mein Egoismus macht mich dann auch traurig, aber ich lerne damit umzugehen.

Was wünschst Du dir noch?

Stets genug. Das, was ich allen anderen auch gerne wünsche. Wenn wir alle genug haben, dann werden wir vielleicht zufriedener. Genug kann aber auch sehr wenig sein. Wie in einem aktuellen Lied, wünsche ich mir, dass wir bewusster werden für das, was wir wirklich benötigen. Den Ballast einfach loslassen, verschenken oder weitergeben, an Menschen, die es wirklich brauchen können.

Was hast Du als Nächstes vor?

Ich möchte schon lange, lange, lange Zeit ein Buch schreiben. Ich versuchs mal. Bisher hatte ich keine Idee zum Thema oder zur Spezialisierung. Ich versuche einfach einmal das zu schreiben, was mich bewegt. Ich könnte Unterstützung in Sachen Aufbau gebrauchen, aber ich denke auch da werde ich bestimmt die richtigen Menschen anziehen.

Als erstes steht bald der erste Urlaub an. Darauf möchte ich mich jetzt einfach freuen und diesen dann mit Partner und Hund genießen.

Neue Ideen für Produkte werden dort auch bereits „ausgestaltet“ in Form von Fotos für Coachingkarten und einen Kalender. Weitere hilfreiche Werkzeuge für Coaches folgen.

Jetzt steht noch die Webseite für mich zur Darstellung als (Verkaufs-/Akquise-) Trainerin an. Dann kann ich sowohl die privat, als auch die Geschäftskunden inhaltlich besser abholen.

Ab sofort wieder mehr Sport und Bewegung im Freien. Und das Leben genießen.

Möchtest Du den Lesern noch etwas mitgeben?

Hört Euch zu. Achtet bei einer Unterhaltung nicht nur darauf, wann ihr eure Themen an der passenden Stelle einwerfen könnt, oder wann eure Antwort, die Ihr bereits im Kopf habt rausgefeuert werden kann.

Hört aktiv hin. Denkt nach und hinterfragt euer gegenüber. Vielleicht steckt mehr hinter dem Seufzer, vielleicht braucht jemand eure Unterstützung, traut sich aber nicht recht. Vielleicht brauchen Menschen auch mal ein bis zwei Minuten für eine Antwort, wartet ab. Fahrt ihnen nicht über den Mund oder fallt allen ins Wort. Kommunikation ist wertvoll und braucht Zeit. Nehmt sie euch. Persönlich und nicht per WhatsApp oder FB. Bekommt wieder Bock auf Kontakte.